Viele Jahre hat die Zahl der Menschen, die Hunger litten, abgenommen. In den letzten Jahren ist dieser Fortschritt zum Stillstand gekommen. Im Welthunger-Index 2024 heißt es:
„Weltweit haben 733 Millionen Menschen – deutlich mehr als noch vor zehn Jahren – keinen Zugang zu ausreichend Kalorien, und 2,8 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten.“
Das UN-Welternährungsprogramm berichtet, dass jährlich 9 Mio. Menschen an Hunger sterben, darunter viele Kinder. Andere Quellen berichten deutlich niedrigere Zahlen, zuverlässige Daten scheint es nicht zu geben, aber in jedem Fall sind es unerträglich viele Menschen, die Hunger leiden und an Hunger sterben.
Eine Welt, die sich als Solidargemeinschaft der Menschen auf der Erde verstehen würde, würde in dieser Situation ihre Anstrengungen zur Bekämpfung des Hungers verstärken. Das Gegenteil ist derzeit der Fall. Trump hat die US-Entwicklungshilfebehörde USAID aufgelöst, ihre Programme werden gestoppt. Fachleute befürchten als Folge der gestrichenen US-Hilfen Millionen Tote zusätzlich in den nächsten Jahren. Die europäischen Länder bemühen sich nicht konzertiert um einen Ausgleich, sie wollen ihre Entwicklungshilfe vielmehr ebenfalls kürzen.
Den Daten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zufolge hatten 2023 die USA mit ca. 65 Mrd. Dollar am meisten Entwicklungshilfe bereitgestellt, gefolgt von Deutschland mit ca. 38 Mrd. Doller und mit großem Abstand Japan und Großbritannien mit je gut 19 Mrd. Dollar. Eigentlich wollen die OECD-Länder jährlich mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungsleistungen ausgeben. 2023 hatte Deutschland das mit 0,82 % noch erreicht, 2024 mit 0,67 % nicht mehr, obwohl humanitäre Ausgaben für die Ukraine eingerechnet sind. In den USA lag sie 2023 übrigens trotz des absolut hohen Betrags nur bei 0,22 %, in Japan bei 0,44 %, in Australien bei 0,19 %.
Statt höherer Entwicklungshilfe gibt es jetzt erheblich höhere Rüstungsausgaben. Auf 5 % des BIP wollen die NATO-Staaten ihre Rüstungsausgaben bis zum Jahr 2035 erhöhen, 3,5 % direkt für Rüstung, 1,5 % für sicherheitsrelevante Infrastruktur. Für Deutschland wären das, wenn man das BIP linear extrapoliert, 240 Mrd. (3,5 %) bzw. 340 Mrd. Euro (5 %), gut 40 bzw. 60 % des ebenfalls extrapolierten Bundeshaushalts. Das entspricht dem Handelsblatt zufolge dem Anteil am Staatshaushalt, den die im Krieg befindliche Ukraine derzeit zur Abwehr des russischen Angriffskriegs aufbringt.
In den letzten 25 Jahren haben sich die weltweiten Rüstungsausgaben mehr als verdoppelt. 2024 wurden laut SIPRI 2,7 Billionen Dollar ausgegeben. Eine Billion ist eine Zahl mit 12 Nullen. In 500-Euro-Scheinen ergäben die 2,7 Billionen einen Stapel von etwa 600 km Höhe.

Mehr als die Hälfte der weltweiten Rüstungsausgaben entfielen auf die NATO-Länder, die ihre Ausgaben künftig in etwa noch einmal verdoppeln wollen. Das erklärte Ziel ist der Schutz von Menschenleben.
Es gibt auch Schätzungen der Kosten, die anfallen würden, würde man den Hunger in der Welt beseitigen. Der MDR zitiert den Generalsekretär der Welthungerhilfe:
„Es gibt seriöse Studien aus den letzten Jahren, die zu dem Schluss gekommen sind, dass es ungefähr 30 bis 90 Milliarden US-Dollar pro Jahr braucht, um den Hunger in der Welt zu beenden.“
Eine dieser Studien wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert und geht von 40 bis 50 Mrd. Dollar aus. Es ist also nicht so, dass die Regierungen nur noch nicht gehört haben, was möglich ist. „Zero Hunger“, kein Hunger mehr bis 2030, ist vielmehr eines der Nachhaltigkeitsziele der UNO. Der Fortschrittsbericht 2023 zu den Nachhaltigkeitszielen hat das Ziel zwar noch nicht aufgegeben, konstatiert aber wenig hoffnungsvoll:
„It is projected that more than 600 million people worldwide will be facing hunger in 2030, highlighting the immense challenge of achieving the zero hunger target.”
Die “immense Herausforderung“ sind 30 bis 90 Milliarden Dollar jährlich, ein Bruchteil dessen, was allein Deutschland bis 2030 mehr für Verteidigung ausgeben will. Warum schafft die Weltgemeinschaft das nicht? Welche „westlichen Werte“ verteidigen wir mit all den Rüstungsmilliarden? Und welche Menschenleben? Sind vom Hungertod bedrohte Menschenleben in Afrika weniger wert als vom Krieg bedrohte Menschenleben in Europa?
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