Eine Reise ins Innere unserer Erde und zurück: Reisegruppe gesucht

Kommen Sie mit auf eine Reise zu den ältesten Teilen unserer Erde. Tauchen Sie ab in die Tiefen in denen Diamanten entstehen. Entdecken Sie die zerstörerische Kraft von Magmen und Vulkanen. Kommen Sie mit in das Innere unseres Planeten.

In meiner Forschung habe ich Gesteine untersucht, die viele Millionen bis Milliarden Jahre alt sind. Sie kommen ursprünglich aus Tiefen von 100 bis über 200 Kilometern kommen und wurden durch Magmen, geschmolzenes Gestein and die Erdoberfläche gebracht. Vorher jedoch haben andere Magmen die Gesteine chemisch stark beeinflusst und zerkleinert. Selbst Diamanten, das härteste Material das wir kennen, wurden dadurch zerstört. Zusammen werden wir in diese Tiefen reisen und hautnah miterleben was dort passiert ist.

Eine Reise in solch unbekannte und gefährliche Gefilde benötigt aber Vorbereitung und Reisevokabular. Zunächst einmal, wie ist unsere Erde aufgebaut? Die Erde hat viele Schichten und Unterschichten, jede mit anderen chemischen und physikalischen Eigenschaften. Wir können dabei das Bild eines Pfirsichs verwenden. Die Schale entspricht der Erdkruste, das Fruchtfleisch dem Erdmantel und der Kern dem Erdkern. Für unsere Reise ist der Erdmantel von besonderer Bedeutung – er ist eingeteilt in einen lithosphärischen und einen asthenosphärischen Teil. Diese schauen wir uns noch etwas detaillierter an.

Direkt unterhalb der Erdkruste unserer Kontinente ist der Erdmantel fest und starr und wird subkontinentaler, lithosphärischer Erdmantel genannt. In Deutschland ist dieser Teil etwa 100 Kilometer mächtig. Im Bereich des Oberrheingrabens und der Eifel existieren allerdings deutlich dünnere Stellen – sie messen zum Teil weniger als 60 Kilometer.      
An anderen Orten wie zum Beispiel unterhalb der ältesten Erdkruste unseres Planeten kann die Lithosphäre aber Mächtigkeiten von mehr als 200 Kilometern erreichen. Diese sogenannten kontinentalen Schilde und deren lithosphärischer Erdmantel entstanden vor etwa 3 Milliarden Jahren und sind seitdem stabil. Sie finden sich zum Beispiel im Norden Kanadas, in Sibirien oder West-Australien.
In größerer Tiefe wird die Lithosphäre durch die Asthenosphäre abgelöst. Sie ist „fließend“ und verhält sich in etwa wie Honig: fest aber doch beweglich.

Nun, wohin genau geht unsere Reise? Wir besuchen den festen, starren Erdmantel unterhalb der alten Schilde und reisen dabei in Tiefen von bis zu 200 Kilometer, zum Übergang von Lithos- und Asthenosphäre. Dort herrscht ein Druck von über 60 Tonnen pro Quadratzentimeter. Außerdem werden hier Temperaturen von bis zu 1400°C erreicht. Aber keine Angst, ich habe extra einen speziellen Aufzug gebaut, der diesen Druck aushält und der eine besonders leistungsfähige Klimaanlage hat. Zusammen werden wir den lithosphärischen Erdmantel untersuchen. Wie verändert er sich? Wie wird er zerstört?

Damit wir live Ergebnisse erhalten und die Chemie des Erdmantels entschlüsseln können, habe ich einige analytische Geräte an unserem Aufzug angebracht. Normalerweise untersuchen wir Geochemiker Gesteine in Laboren mit Hilfe von Elektronenmikroskopen, Massenspektrometer oder Infrarotspektroskopen. Wir zerschneiden, zermahlen oder lösen die Proben in Säure auf, bevor wir sie in den analytischen Geräten mit Elektronen oder Lasern beschießen und auf mehrere tausend Grad Celsius erhitzen.

Wir starten unsere Reise im südlichen Teil von Afrika, in Lesotho. Unser Aufzug steht direkt auf einem erloschenen Vulkan, einem sogenannten Kimberlit. Dieser ist vor etwa 90 Millionen Jahren ausgebrochen und hat dabei jede Menge Gestein und auch Diamanten aus dem Erdmantel nach oben befördert. Zu Anfang unserer Exkursion fahren wir durch Milliarden Jahre alte Erdkruste. Nach einigen Stunden erreichen wir die Grenze von Kruste zu Mantel – über uns sind etwa 40 Kilometer Gestein. Ich hoffe, Sie haben keine Platzangst! Das Außenthermometer zeigt eine Temperatur von 450 – 500°C. Die Klimaanlage ächzt noch nicht einmal bei diesen „niedrigen“ Temperaturen. Wenn wir den Erdmantel erreichen, fängt für mich als Erdmantelpetrologin und –geochemikerin der besonders interessante Teil unserer Reise an.           

Hier sehen wir Gesteine, sogenannte Peridotite, die aus grünlichen, schwarzen und rot-violetten, grobkörnigen Mineralen bestehen. Wenn wir die Chemie dieser Gesteine und Minerale untersuchen, fällt uns etwas Besonderes auf: Durch Vulkanismus sind vor Milliarden von Jahren 40 – 50% des Erdmantels geschmolzen. Das Magma das dadurch entstanden ist, stieg auf und bildete Teile der Erdkruste. Durch diesen Aufschmelzprozess ist ein „trockener“ und „leichter“ Erdmantel zurückgeblieben. „Trocken“ heißt, dass dort weniger als 20 Gramm Wasser pro Tonne Gestein gespeichert ist. Umgerechnet könnten wir damit nicht einmal ein Schnapsglas füllen. „Leicht“ heißt, dass dieser Erdmantel zum Beispiel wenig Eisen und Titan enthält. Das macht sie leichter als die darunterliegende Asthenosphäre. Dadurch „schwimmt“ der lithosphärische Erdmantel auf der Asthenosphäre wie ein Eisberg auf Wasser. Nach heutigem Wissenstand bewirken diese Eigenschaften, dass der Erdmantel unterhalb der kontinentalen Schilde besonders stabil ist.

Wir bewegen uns nun weiter nach unten und ab etwa 130 Kilometer Tiefe und 1000 °C sehen wir das Aufblitzen von Diamanten. Legen wir doch einen kleinen Stopp ein. Eigentlich sollten hier Minerale wie Diamanten gar nicht vorkommen. Der Aufschmelzprozess sollte diese zerstört haben. Was ist hier passiert? Seit der Entstehung des lithosphärischen Erdmantels sind immer wieder Magmen aus der Asthenosphäre aufgestiegen und haben ihn verändert. Diese Magmen waren sehr wasser- und kohlenstoffreich, wodurch neue Minerale wie zum Beispiel Diamanten entstanden sind.

Lassen Sie uns unsere Reise zu unserem Zielort in 200 Kilometer Tiefe fortsetzten. Wenn wir jetzt aus dem Fenster schauen, sehen wir, dass wir uns im fließenden Erdmantel, der Asthenosphäre, befinden. Aber Moment… Die Erdmantelgesteine, die ich während meiner Doktorarbeit untersucht habe, stammen aus dieser Tiefe und sind Teil des starren Erdmantels. Einigen Wissenschaftler*innen nach sollte hier sogar eine besonders trockene und schützende Schicht an lithosphärischem Erdmantel sein. Damit wir herausfinden können was sich verändert hat, müssen wir 90 Millionen Jahre in die Vergangenheit reisen. Zu dieser Zeit haben sich meine Proben verändert. Lassen Sie uns also auch noch zusätzlich eine Zeitreise machen und sehen, was ich bei meiner Forschung herausgefunden habe:

Wir befinden uns wieder im lithosphärischen Erdmantel. Tatsächlich sehen wir auch hier grobkörniges Erdmantelgestein, sehr trocken, so wie es sein sollte. Plötzlich fließt 1400°C heiße Magma aus der Asthenosphäre um unseren Aufzug herum. Die Klimaanlage ächzt, aber es scheint alles zu halten. Glück gehabt! Sind diese Magmen der Grund für die Zerstörung des lithosphärischen Erdmantels an dieser Stelle?

Bewegen uns zum Rand der Magmakammer. Dort befinden sich die Gesteine, die ich untersucht habe. Unsere Instrumente zeigen, dass sich die Chemie und Textur der Gesteine durch die Interaktion mit dem Magma verändert: Sie werden reich an Eisen, Titan und Wasser. Der Erdmantel beginnt damit, sich zu verformen. Aus einst großen Körnern bilden sich viele kleinere. Zum Teil sind die Körner kleiner als ein Haar dünn ist. Die Diamanten nahe der Magmakammer beginnen sich aufzulösen und in Kohlenstoffdioxid umzuwandeln. Das liegt daran, dass die Magmen deutlich sauerstoffreicher sind, als der umliegende Erdmantel. In großer Entfernung zu den Magmen sind die Diamanten jedoch sicher. Wenn wir in die Magmakammer schauen, sehen wir, dass sich zentimetergroße Kristalle bilden. Sie sind auch eisen-, titan- und wasserreich – genau wie meine Proben. Die Interaktion mit dem Magma bewirkt also, dass dieser Teil des Erdmantels nicht mehr „leicht“ und „trocken“ ist. Sie schwächt diese Schicht. Das alles dauert viele Jahrhunderte bis Jahrtausende – geologisch gesehen ein Wimpernschlag.

Da! Noch ein Puls Magma! Bei jedem Puls an Magma ächzt die Klimaanlage wieder und der lithosphärische Erdmantel wird schwächer und schwächer. Er wird förmlich durchlöchert und chemisch und physikalisch ähnelt er immer mehr der Asthenosphäre. Ein weiterer Puls Magma reißt uns mit nach oben. Dabei wird auch umliegendes Gestein mitgerissen, welches wir heute in unseren Laboren untersuchen. Wir bewegen uns mit bis zu 130 Kilometer pro Stunde zur Oberfläche und werden wieder ausgespuckt. In den nächsten Millionen von Jahren kommt es zu weiteren Vulkanausbrüchen. Währenddessen durchlöchern die Magmen immer mehr des lithosphärischen Erdmantels. Sie dünnen ihn unterhalb von Lesotho um bis zu 50 Kilometer aus. Beim Ausstieg sehen wir, dass unser Aufzug sehr ramponiert ist. Glücklicherweise hat er aber durchgehalten. Und damit endet unsere kleine Abenteuerreise ins Erdinnere. Sie waren hautnah dabei, als ich das Geheimnis um meine Proben gelüftet habe. Ich hoffe, Sie haben diesen kleinen Ausflug genossen.


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