Als Nachtrag zum Beitrag über den digitalen Kapitalismus im Gesundheitswesen gibt es hier noch einen kleinen Dialog mit ChatGPT. Das Produktionsmodell des digitalen Kapitalismus braucht eine motivationale Fundierung und Rechtfertigung: Menschen handeln nach subjektiv guten Gründen. In der Literatur wird dazu u.a. das Konzept des „Geistes des Kapitalismus“ im Anschluss an Sombart, Weber und Boltanski/Chiapello bemüht. Dieser Geist ist ein historisch recht wandelbarer Geist, in gewisser Weise ein Zeitgeist. Der Anspruch auf „Wahrung von Anstand und Sitte der ehrbaren Kaufleute, einschließlich deren sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung“ aus § 1 des IHK-Gesetzes von 1956 oder die fast schon sozialistisch anmutenden Nachkriegsnormen für die Wirtschaftsordnung in manchen Länderverfassungen haben mit der Verhaltensökonomie eines Gary Becker nicht mehr viel zu tun, ebenso wenig mit den libertären Ansichten von Leuten wie Peter Thiel oder Elon Musk. Mit der Art und Weise, wie sich der Kapitalismus verändert hat, hat sich auch sein Geist verändert, in welcher Wechselwirkung sich beides auch immer vollziehen mag.
Das Feld ist weit, mit Bezügen zu den Wandlungen in den Theorien der Arbeitsmotivation und natürlich der Wirtschaftsethik, das soll hier nicht vertieft werden. Vielmehr will ich das Konzept des Geistes des digitalen Kapitalismus versuchsweise auf das Gesundheitswesen übertragen, und zwar, indem ich ChatGPT dazu befrage. Erwartungsgemäß reproduziert ChatGPT dazu vor allem Stichwörter aus der Literatur, aber die Anwendbarkeit des Konzepts auf das Gesundheitswesen wird durchaus erkennbar, vor allem auch das Element der technokratischen Lösung von Menschheitsproblemen.
Frage: Gibt es eine Ethik der kommerziellen Digitalisierung im Gesundheitswesen?
ChatGPT:
Ja, es gibt definitiv eine Ethik der kommerziellen Digitalisierung im Gesundheitswesen – oder genauer gesagt: Es gibt eine ethische Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken, die entstehen, wenn digitale Technologien und kommerzielle Interessen im Gesundheitsbereich zusammentreffen.
Das Thema ist vielschichtig, weil hier mehrere Aspekte miteinander verschränkt sind:
1. Grundwerte im Gesundheitswesen
Das Gesundheitswesen ist traditionell an ethischen Prinzipien orientiert – etwa:
- Wohlergehen der Patient:innen (Benefizienz)
- Nichtschaden (Non-Malefizienz)
- Gerechtigkeit
- Autonomie und informationelle Selbstbestimmung
Diese Werte geraten unter Druck, wenn kommerzielle Interessen ins Spiel kommen.
2. Kommerzialisierung und Profitinteressen
Viele digitale Gesundheitslösungen – von Gesundheits-Apps über Wearables bis hin zu KI-gestützten Diagnosetools – stammen von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Deren Ziel ist neben dem Fortschritt meist auch Profit. Daraus ergeben sich ethische Fragen:
- Wird der Patient zum „Produkt“ (z. B. bei der Vermarktung seiner Daten)?
- Werden medizinische Entscheidungen durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst?
- Wer kontrolliert und profitiert von digitalen Gesundheitsdaten?
3. Datenschutz und digitale Souveränität
Ein zentrales ethisches Thema ist der Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten:
- Wer hat Zugang zu den Daten?
- Wie transparent ist die Nutzung?
- Können Patient:innen die Kontrolle behalten (z. B. bei KI-Entscheidungen)?
- Was passiert bei einem Datenleck oder einer Diskriminierung durch Algorithmen?
4. Zugänglichkeit und Gerechtigkeit
Digitalisierung verspricht Effizienz, aber:
- Wer hat Zugang zu digitalen Gesundheitsdiensten (z. B. ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, sozial Benachteiligte)?
- Entstehen neue digitale Ungleichheiten?
- Wird das System gerechter oder exklusiver?
5. Ethische Rahmenwerke und Initiativen
Es gibt ethische Leitlinien und Debatten – z. B.:
- Der Deutsche Ethikrat äußert sich regelmäßig zur Digitalisierung im Gesundheitswesen.
- Die WHO, EU-Kommission und Bioethikkommissionen befassen sich mit KI und Datenethik.
- Viele dieser Dokumente fordern Transparenz, Fairness, Rechenschaftspflicht und Teilhabe.
Fazit
Ja, es gibt eine Ethik der kommerziellen Digitalisierung im Gesundheitswesen – sie ist kein feststehendes Regelwerk, sondern ein Spannungsfeld, das ständig neu ausgehandelt wird. Dabei ist die zentrale Frage oft:
Wie lassen sich technischer Fortschritt und wirtschaftliche Interessen mit den ethischen Werten des Gesundheitswesens vereinbaren?
Frage: Könntest du wesentliche Aspekte einer ethischen Rechtfertigung der kommerziellen Digitalisierung im Gesundheitswesen zusammenfassen?
ChatGPT:
Gerne! Eine ethische Rechtfertigung der kommerziellen Digitalisierung im Gesundheitswesen ist dann überzeugend, wenn sie zeigt, dass wirtschaftliche Interessen nicht im Widerspruch zu grundlegenden ethischen Prinzipien stehen – oder diese sogar fördern können. Hier sind die wesentlichen Aspekte einer solchen ethischen Rechtfertigung:
1. Beitrag zum Gemeinwohl (Wohlfahrtsnutzen)
Kommerzielle Unternehmen können durch Digitalisierung:
- die Versorgung verbessern (z. B. durch schnellere Diagnosen, bessere Therapien),
- Zugänge erleichtern (Telemedizin, digitale Gesundheitsanwendungen),
- zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen.
→ Ethisch gerechtfertigt, wenn das kommerzielle Angebot zu einer echten Verbesserung der Gesundheitsversorgung beiträgt.
2. Wahrung der Patientenautonomie
Digitale Tools können:
- Menschen befähigen, selbstbestimmt mit ihrer Gesundheit umzugehen (z. B. Apps zur Selbstbeobachtung),
- informierte Entscheidungen ermöglichen (durch transparente Datenanalysen, verständliche Aufklärung).
→ Ethisch gerechtfertigt, wenn sie die Autonomie stärken statt einschränken.
3. Gerechtigkeit und Zugang
Kommerzielle Angebote können Innovationen vorantreiben, die später:
- breiter zugänglich gemacht werden (z. B. durch Kassenleistung),
- zur Entlastung des Gesundheitssystems beitragen (z. B. durch Prävention),
- auch in unterversorgten Regionen eingesetzt werden.
→ Ethisch gerechtfertigt, wenn Kommerzialisierung nicht zur Exklusion führt, sondern Gleichheit fördert.
4. Transparenz und Rechenschaft
Eine ethisch vertretbare Kommerzialisierung setzt voraus:
- Transparente Geschäftsmodelle (Wer verdient woran?),
- klare Information über Datennutzung,
- verantwortliches Verhalten im Umgang mit Risiken (z. B. bei KI-Einsatz).
→ Ethisch gerechtfertigt, wenn Unternehmen offenlegen, was sie tun, und sich kontrollieren lassen.
5. Innovationsethik: Fortschritt als ethische Verpflichtung
Es gibt ein ethisches Argument, dass lautet:
„Wenn wir durch Digitalisierung Leben retten oder Leiden lindern können, müssen wir es tun.“
→ Kommerzielle Akteure sind oft Innovationsmotoren – ihre Beteiligung kann daher ethisch gefordert sein, wenn sie verantwortungsvoll handeln.
6. Vermeidung von Schaden
Ethisch akzeptabel ist Kommerzialisierung nur, wenn:
- Patient:innen nicht ausgebeutet werden,
- keine Diskriminierung durch Algorithmen stattfindet,
- sensible Daten geschützt sind.
→ „Do no harm“ bleibt ein zentrales Kriterium – auch bei kommerziellen Akteuren.
Fazit:
Eine ethische Rechtfertigung der kommerziellen Digitalisierung im Gesundheitswesen ist möglich, wenn die beteiligten Unternehmen die Werte des Gesundheitswesens achten, ihre Angebote dem Gemeinwohl dienen, und Transparenz, Gerechtigkeit und Datenschutz gewährleisten.
Frage: Würdest du sagen, der digitale Kapitalismus zeichnet sich durch einen „neuen Geist“ aus?
ChatGPT:
Ja, das kann man durchaus sagen – und es ist sogar ein spannender philosophisch-soziologischer Gedanke, den du da ansprichst. Der Begriff „neuer Geist“ des Kapitalismus stammt ja ursprünglich von Luc Boltanski und Ève Chiapello (aus ihrem Buch Der neue Geist des Kapitalismus, 1999). Sie meinen damit: Kapitalismus bleibt bestehen, aber sein ideologischer Überbau – seine Legitimationsmuster, seine Ethik – verändert sich über die Zeit.
In Bezug auf den digitalen Kapitalismus lässt sich sagen:
Er bringt tatsächlich einen neuen Geist mit – mit eigenen Werten, Idealen und Versprechungen.
Merkmale dieses „neuen Geists“ im digitalen Kapitalismus:
1. Flexibilität & Selbstverwirklichung
- Arbeit wird oft als Projekt, nicht als Pflicht verstanden.
- Start-up-Kultur, flache Hierarchien, „Du“-Kultur: Der Chef als Kumpel.
- Selbstoptimierung und „Empowerment“ statt Gehorsam.
→ Der Kapitalismus präsentiert sich freundlich, kreativ und sinnstiftend – was seine Ausbeutungsmechanismen aber nicht unbedingt mindert.
2. Technologischer Fortschritt als Erlösungsversprechen
- Digitalisierung erscheint als Fortschrittsmotor – effizient, modern, intelligent.
- Technologie wird als Lösung für gesellschaftliche Probleme verkauft (Gesundheit, Klima, Bildung).
- Der Markt für Daten, KI, Plattformen erscheint als „postindustriell“, aber fortschrittsgläubig.
→ Der „Geist“ hat etwas Missionarisches – wie eine Zukunftsreligion.
3. Daten als neue Ressource
- Nicht mehr nur Kapital und Arbeit zählen – Informationen sind der neue Rohstoff.
- Menschen werden nicht nur Konsumenten, sondern Datenlieferanten.
- Plattformen schöpfen Verhaltensüberschüsse ab (Zuboff: Überwachungskapitalismus).
→ Der neue Geist baut auf Transparenzversprechen, während er reale Intransparenz schafft.
4. Moralischer Kapitalismus
- Unternehmen geben sich zunehmend ethisch: Diversity, Nachhaltigkeit, Purpose.
- Gesundheitsdatenplattformen, digitale Therapien, „Tech for Good“.
- Der Markt wird als Mittel für gesellschaftlichen Fortschritt präsentiert.
→ Der neue Geist moralisiert den Markt, aber oft auf strategische Weise.
5. Subjektivierung und Verantwortungsverschiebung
- Menschen sollen selbstverantwortlich gesund, effizient und datensicher leben.
- Auch Kranksein wird zum Projekt – „Health Tracking“, Biohacking, Optimierungsapps.
- Verantwortung verschiebt sich vom System auf das Individuum.
→ Die neue Ethik ist individualistisch und performance-orientiert.
Fazit:
Ja – der digitale Kapitalismus hat einen neuen Geist, der stark auf Flexibilität, Selbstverwirklichung, Innovation und moralische Legitimation setzt. Er unterscheidet sich vom alten Industrie- oder Finanzkapitalismus, auch wenn die ökonomischen Grundmuster (Akkumulation, Profitlogik, Kontrolle) erhalten bleiben.
Frage: Bitte führe das weiter in Bezug auf das Gesundheitswesen aus.
ChatGPT:
Sehr gern – das Gesundheitswesen ist ein besonders spannender Bereich, um den „neuen Geist des digitalen Kapitalismus“ genauer zu betrachten, weil hier Lebensschutz, Ethik und Ökonomie direkt aufeinandertreffen. Es geht also um weit mehr als Effizienz – es geht um Vertrauen, Fürsorge und existenzielle Fragen.
Der „neue Geist“ des digitalen Kapitalismus im Gesundheitswesen
Wir schauen uns an, wie sich zentrale Merkmale dieses Geistes im Gesundheitsbereich konkret manifestieren:
1. Selbstverantwortung und Selbstoptimierung
Digitale Gesundheitstools (Apps, Wearables, Plattformen) fördern ein Bild von Gesundheit als persönliches Projekt:
- Der „neue Patient“ ist aktiv, informiert, trackt Schlaf, Bewegung, Ernährung.
- Krankheiten sollen früh erkannt, Risiken individuell gemanagt werden.
- Gesundheit wird zur Frage der Lebensführung – und damit zur Verantwortung des Einzelnen.
Ethik-Reflexion:
Hier wirkt der neue Geist fast neoliberal: Der Körper wird zum Optimierungsfeld, und strukturelle Gesundheitsprobleme werden individualisiert (z. B. Armut, Stress, Umweltbedingungen).
2. Digitalisierung als Fortschrittsversprechen
Tech-Konzerne und Start-ups inszenieren sich als Heilsbringer:
- Künstliche Intelligenz zur Krebsdiagnose, digitale Therapie bei Depressionen, smarte Implantate.
- Slogans wie „healthtech for good“ oder „revolutionizing healthcare“.
Ethik-Reflexion:
Diese Narrative machen Gesundheit zu einer technologischen Erlösungsfrage. Sie versprechen Effizienz und Innovation – aber oft ohne kritische Reflexion über Nebenwirkungen, Datenmacht oder Ungleichheit.
3. Kommerzialisierung & Plattformisierung
Gesundheit wird plattformökonomisch organisiert:
- Gesundheitsapps kooperieren mit Krankenkassen oder Pharmafirmen.
- Digitale Gesundheitsdaten werden kommerziell verwertet – z. B. für Forschung, Versicherungsmodelle, personalisierte Werbung.
- Private Konzerne wie Amazon, Google oder Apple drängen in den Gesundheitsmarkt.
Ethik-Reflexion:
Der neue Geist rechtfertigt diese Entwicklungen durch eine Mischung aus Nutzerfreundlichkeit, Innovationsrhetorik und moralischem Nutzen („Wir retten Leben!“) – dabei wird die Machtkonzentration oft ausgeblendet.
4. Moralische Aufladung von Marktlogik
Digitale Gesundheitsunternehmen kleiden sich oft in ein ethisches Gewand:
- Nachhaltigkeit, Inklusion, Zugang für alle, „social impact“.
- Das Unternehmen als guter Akteur: nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern auch „Purpose-driven“.
Ethik-Reflexion:
Diese Rhetorik legitimiert wirtschaftliches Handeln als moralisch notwendig – was kritische Debatten über Macht, Kontrolle oder Zugänglichkeit erschwert oder neutralisiert.
5. Verlagerung der Verantwortung
Durch digitale Tools wird Verantwortung zunehmend delegiert:
- An den Patienten (über Eigenverantwortung),
- An Algorithmen (über automatisierte Entscheidungen),
- An Plattformen (über Infrastrukturen, Datenflüsse).
Ethik-Reflexion:
Hier zeigt sich der neue Geist in seiner Ambivalenz: Er verspricht Autonomie, produziert aber auch neue Formen der Kontrolle und Unsicherheit – etwa, wenn KI-Diagnosen nicht nachvollziehbar sind oder Daten missbraucht werden.
Fazit:
Der digitale Kapitalismus im Gesundheitswesen trägt eindeutig den „neuen Geist“, den Boltanski & Chiapello beschrieben haben:
Er ist netzwerkförmig, kreativ, moralisch aufgeladen, technikgläubig – und dabei hochgradig ökonomisch motiviert.
Diese Mischung macht ihn schwerer kritisierbar, weil er sich als Teil der Lösung präsentiert – während er möglicherweise neue Ungleichheiten, Intransparenz und Kontrollverluste erzeugt.
Man könnte das Spiel fortsetzen und ChatGPT z.B. noch den undemokratischen und institutionskritischen Impuls des digitalen Kapitalismus beschreiben lassen, den es spontan zunächst nicht hervorhebt. Aber die ethischen Probleme, die es explizit benennt, verweisen unmittelbar auf den politischen Regulationsbedarf in diesem Bereich. Der „Geist des digitalen Kapitalismus“ wird von den einen beschworen, er muss von den anderen gebannt werden, wenn er die Demokratie nicht zersetzen soll.
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