Wirtschaftswende? Sozialpolitische Wende? Wende rückwärts?

Deutschlands Wirtschaft, die in den letzten Jahren von billiger Energie aus Russland, der Erschließung des chinesischen Marktes, von Lohnzurückhaltung und vom Sparen bei öffentlichen Investitionen profitiert hat, ist ins Stolpern geraten. Politische Lösungen sind gefragt, aber sie liegen nicht einfach auf der Hand.

Die Reaktion konservativer und wirtschaftsliberaler Kräfte in der Politik war allerdings erwartbar: „Wir müssen den Gürtel enger schnallen und wieder mehr arbeiten“. Den Gürtel enger schnallen sollen natürlich nicht die Reichen, sondern die Beschäftigten und die, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Die strukturelle Schwäche der Wirtschaft wird damit aber nicht behoben, sondern nur in einen sozialen Gruppenkonflikt transformiert.

Paradigmatisch dafür steht das “Wirtschaftswende-Papier“ der FDP. In diesem Papier sucht man vergeblich Antworten darauf, wie eine Wirtschaft aussehen könnte, die wettbewerbsfähig ist, möglichst klimaneutral, und zugleich eine gute Bildung im Land, eine menschenwürdige Pflege, bezahlbaren Wohnraum sowie eine starke öffentliche Infrastruktur im Land sichert. Kein Wort findet sich zu Themen wie Steuerhinterziehung, Erbschaftssteuer, Dienstwagenprivileg oder dergleichen, nichts zu Forschungsförderung, nur sehr wenig zu Fragen der Investitionspolitik. Stattdessen geht es die „Entfesselung von Innovationskräften“, sprich die Befreiung der Wirtschaft von Auflagen und sozialpolitisch im Zentrum steht dabei die Mobilisierung gängiger Vorurteile gegen faule Menschen in der sozialen Hängematte. Explizit werden „Arbeitsanreize“ und ein „Moratorium für Sozialleistungen“ gefordert.

Die angeblich lasche Arbeitsmoral der Beschäftigten wird auch in den öffentlichen Statements der Wirtschaftswender jetzt immer wieder angesprochen. Studien, die eine Zunahme von Stress am Arbeitsplatz dokumentieren, hohe Kosten durch Burnout oder den kontinuierlichen Anstieg der Krankschreibungen infolge psychischer Störungen, zählen nicht mehr. Eingeräumt wird zwar, dass die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden derzeit so hoch wie nie ist, aber die Einzelnen würden zu wenig arbeiten, sprich, die Beschäftigten seien zu faul. Wirtschaftsvertreter polemisieren neuerdings gegen die „Work-Life-Balance“, die sie lange auch gut fanden. Dem sekundierte vor kurzem auch der bayerische Ministerpräsident Söder: Nur mit Teilzeit und Homeoffice würde man im weltweiten Wettbewerb nicht bestehen. Das ist an sich gar nicht verkehrt, aber was braucht es denn noch? Wird Energie billiger, wenn alle mehr arbeiten? Sinken dann die Mieten in den Ballungsräumen? Wird die Pflegemisere besser, wenn die Pflegekräfte länger arbeiten? Und die Bahn wird endlich pünktlicher? Oder spielt das eh alles keine Rolle, weil das keine wettbewerbsrelevanten Themen sind, sondern nur Sozialklimbim?

Nur, was wäre dann das Ziel von mehr Wettbewerbsfähigkeit? Dass Deutschland seinen Rangplatz im internationalen Vergleich verbessert? Sollte es letztlich nicht doch um ein besseres Leben gehen, um Lebensqualität, um einen Alltag, der nicht nur vom Kampf ums nackte Überleben geprägt ist?

Was die individuelle Arbeitszeit angeht, soll man jetzt also nicht mehr stolz darauf sein, durch eine hohe Arbeitsproduktivität etwas kürzer arbeiten zu können und Zeitwohlstand gewonnen zu haben, auch Ausgleichszeit für hohen Leistungsdruck, sondern das gilt jetzt wieder als Bequemlichkeit und Leistungsschwäche.

Den Daten von Eurostat zufolge arbeiten die Deutschen im europäischen Vergleich in der Tat weniger als die meisten anderen:

Aber wenn man anschaut, welche Länder die Arbeitszeittabelle anführen, sind das nicht unbedingt die Vorbilder an wirtschaftlicher Leistungsstärke. Nur auf die absolute Zahl der Arbeitsstunden pro Kopf zu schauen und von da auf die volkswirtschaftliche Leistungsstärke zu schließen, ist eine ökonomische Milchmädchenrechnung. Wenn mehr Frauen arbeiten können, weil sie das in Teilzeit oder im Homeoffice machen dürfen, steigt die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden. Ebenso, wenn sie durch Kita-Plätze entlastet werden oder weniger als pflegende Angehörige unentgeltlich tätig sein müssen. Ebenso stärkt es die Wirtschaft, wenn die Bahn zuverlässig Güter und Menschen transportiert, wenn in Ballungsräumen auch Menschen Wohnungen finden, die Brötchen backen, Wasserleitungen reparieren oder die Wohnungen der selbsternannten Leistungselite putzen. Ebenso, wenn Beschäftigte attraktive und motivierende Arbeitsbedingungen vorfinden, statt durch zu viel Leistungsdruck zu erkranken.

Das Papier der FDP ist kein Wirtschaftswende-Papier, sondern ein Sozialwende-Papier. Es lässt befürchten, dass die sozialpolitischen Auseinandersetzungen künftig wieder mehr im ideologischen Überbau geführt werden, statt sich mit den tatsächlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Problemen und deren Zusammenhang miteinander zu beschäftigten. Wie die Menschen, denen ja nicht verborgen bleibt, wie der Reichtum am oberen Ende der Verteilung ausufert, während gleichzeitig ihre eigenen Alltagssorgen wachsen, darauf politisch reagieren, bleibt abzuwarten. Die ursprüngliche Fassung des Heizungsgesetzes ist zu Recht an sozialpolitischer Blindheit gescheitert, mit der „Wirtschaftswende“ scheint man diesen Fehler jetzt in Groß wiederholen zu wollen.


Auch diesen Beitrag hat Makroskop netterweise übernommen: https://makroskop.eu/15-2024/wirtschaftswende-sozialpolitische-wende-wende-ruckwarts/


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Comments

31 Antworten zu „Wirtschaftswende? Sozialpolitische Wende? Wende rückwärts?“

  1. rolak 麻

    sondern ein Sozialwende-Papier

    Gefühlt kommen aus der Richtung seit einigen Jahrzehnten ausschließlich solche.

    (Betriebs|Volks)wissenschaftler lieben einfach abzählbare Dinge (zB REFA-Zeitaufnahmen| €Investitionen) – in dem Sichtfeld kommen solch obskure Konstrukte wie Kultur oder gesellschaftliche Zufriedenheit schlicht nicht vor. Und so etwas wie Sozialstaat stört darin nur.

    1. leben-und-geld

      Der Volkswirtschaftslehre würde ich da gar keinen Vorwurf machen wollen, auch wenn das Fach etwas einseitig aufgestellt ist und sozialpolitisch ausgerichtete Lehrstühle selten geworden sind. Aber die Unternehmerverbände und ihre politischen Kompagnons kommen in der Tat reflexhaft in jeder Krise immer mit den gleichen Rezepten um die Ecke. Da geht es nicht um Lösungen für die jeweils konkreten Probleme, sondern um politische Geländegewinne. Leuten wie Merz, Linnemann oder Lindner sind dabei auch konzeptionelle Inkonsistenzen völlig egal. Das sind Klassenkämpfer von oben.

      1. rolak 麻

        Um die Lehren ging es nicht, leben-und-geld, die sind sinnvoll und notwendig, wie zB auch Bürokratie. Doch alle drei haben bzgl ihrer Auswirkungen eine goldilock-Zone, zu wenig wie auch zuviel hemmt bis zerstört einen Staat.

        Es ging um diejenigen, die die gelernten Verfahren und Techniken ihren jeweiligen Problemen à la Prokrustes überstülpen, mehr oder weniger weltfremd.

        btt: ulkigerweise hat vor wenigen Stunden arte eine Folge aus der 42-Reihe bei YT eingestellt, in der zum Thema Wende in Richtung vorwärts hypothetisiert wird: Können wir die Wirtschaft schrumpfen?

        Eine GedenkSekunde für St. Koinzidentia, bitte.

  2. rolak 麻

    St.K hatte eine Erfolgssträhne: beim Abarbeiten der aufgelaufenen Mediathek-Beute fand sich in Extra3 von letzter Woche nicht nur eine angemessene Betrachtung des 12PP (ab ~13:45), sondern auch noch (als intro) ein LiveMitschnitt der betreffenden Beschlußsitzung.

  3. RPGNo1

    Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal Carsten Maschmeyer zitiere, aber der hat zum Thema eine klar definierte Meinung. Welche der FDP, CDU und CSU sicher nicht schmecken wird.

    In einem Instagram-Posting schildert Maschmeyer nun seine Ansichten zum Thema Arbeitszeit. In dem Beitrag heißt es unter anderem: „Wer Arbeitsleistung rein in geleisteten Arbeitsstunden misst, lebt wirklich im letzten Jahrhundert. Denn Ergebnisse zählen und nicht die abgesessene Arbeitszeit.“ Forderungen nach erhöhter Arbeitszeit bezeichnet der 64-Jährige als „Scheindebatten, die am Kernproblem vorbeigehen“.

    Als Beispiel für die Länder mit der höchsten Stundenzahl nennt er Kambodscha und Myanmar. „Daran wollen wir uns messen?“, fragt Maschmeyer. Einen Lösungsvorschlag hat er auch parat: „Wir brauchen etwas ganz anderes: Leistungswillen und die Renaissance des Leistungsgedankens. All das wird aber nicht in Arbeitszeit gemessen, sondern in Ergebnissen. Nicht die Zeit finanziert unseren Wohlstand, sondern Erfolg.“

    https://www.stern.de/wirtschaft/carsten-maschmeyer-aeussert-sich-zur-diskussion-um–faule–deutsche-34676372.html

    1. leben-und-geld

      @ RPGNo1:

      Interessante Positionierung von Maschmeyer, danke für den Link.

      Wobei er nicht wirklich das Narrativ der faulen Deutschen infrage stellt, sondern nur, ob man das in Zeiteinheiten messen kann. Er schreibt ja explizit: „Wir brauchen etwas ganz anderes: Leistungswillen und die Renaissance des Leistungsgedankens.“ Fehlt es denn an „Leistungswillen“? Woran ist das festzumachen?

      Für manche Leute sind vielleicht Kambodscha und Myanmar wirklich Vorbilder. Wenn die Menschen um ihr Überleben kämpfen müssen und bereit sind, dafür alles zu tun, spielen in der Unternehmenspolitik Arbeitszeitregulierung, Arbeitsschutz oder Umweltschutz keine relevante Rolle mehr.

      Nehmt den Leuten die Brillen weg, damit sie sich beim Sehen wieder mehr anstrengen müssen, diese Sehfaulpelze!

  4. Alisier

    Ein wenig erinnert mich das Ganze Herumreiten auf den Arbeitszeiten und der Forderung nach blindem Fleiß seitens der üblichen Verdächtigen an das Verhalten wärend der fünfziger Jahre im 20ten Jahrhundert.
    Bloß nicht an das Geschehene denken, geschweige denn (sich) daran erinnern, sondern malochen und ignorieren obwohl es kaum auszuhalten ist.
    Es ist gerade Krieg? Das Klima kippt? Die ökologische Krise wird überall sichtbar? Sozial liegt verdammt vieles im Argen?
    Maul halten! Arbeiten!

  5. ANton

    Da kommt jetzt wieder mal die „Vertrauensarbeitzeit“ ins Spiel. Doch wenn das Pensum um 15 Uhr geschafft ist, wird der Chef einfach annehmen, daß die Aufgaben zu gering bemessen sind. Die Frage ist doch, wer die Aufgaben verteilt. Vertrauensarbeitzeit führt letztlich nur zur Selbstausbeutung. Fast alle Selbständigen arbeiten ohne dabei zu faulenzen 50-60 Stunden pro Woche.

    Ist das da Ziel für alle?

  6. Alisier

    Zu Maschmeyer:
    Woran man Erfolg jetzt genau misst und was „Leistungsgedanke“ wirklich heißt hat er nicht gesagt.
    Ist die es als Erfolg zu werten, dass jetzt so gut wie sämtliche wirtschaftlich relevanten Gesellschaften die Ökosystem an den Rand des Kollapses manövriert haben?
    Ist es als Erfolg zu werten, dass Menschen die Souveränität über das, was sie im Leben wollen könnten verloren haben und Verrsprechen und Regeln folgen die ihnen eher schaden?
    Damit die Aktionäre zufrieden sind?
    Würde zu Maschmeyer passen……

    1. leben-und-geld

      @ Alisier:

      Forderungen nach mehr Leistungsbereitschaft mit unterschwelliger Unterstellung von Faulheit gehören seit eh und je zum Portfolio derer, die von der Arbeit anderer leben.

      Vor Jahrzehnten schon hat Douglas McGregor mit seiner Unterscheidung von Theorie X und Theorie Y darauf hingewiesen, dass sich Beschäftigte, denen man ständig unterstellt, nur mit Druck zu arbeiten, sich irgendwann auch so verhalten.

      In der Psychologie gibt es ganze Bibliotheken zum Thema Arbeitsmotivation, die von Lindner & Co. einfach ignoriert werden, weil sie ihre politischen Ziele mit ihren ideologischen Thesen besser umsetzen können. Dafür reicht auch die pauschale Unterstellung, die von der Supermarktverkäuferin über den Polizisten oder die Pflegekraft bis zum Biowissenschaftler alle einschließt – alle zu faul.

      Wie gesagt, hier geht es um eine sozialpolitische Wende, nicht darum, was Arbeitsmotivation wirklich ausmacht.

      Es ist auch aus noch aus einem anderen Grund kein Zufall, dass die Frage nach der Arbeitsmotivation nicht substantiell gestellt wird. Sonst wäre sofort die Frage auf dem Tisch, für welche Ziele man sich denn so hochmotiviert einsetzen sollte. Das, so die Lindners dieser Welt, entscheiden die Unternehmer idealerweise ganz allein. Der Staat soll sich raushalten und die Beschäftigten sollen sich ranhalten, dann wird schon alles gut.

  7. Alisier

    @ leben-und-geld
    Ich stimme nicht ganz überraschenderweise hier vollumfänglich zu.
    Die leidige aber nichtsdestotrotz entscheidende Frage wie wird das gebremst oder gar gedreht kriegen bleibt.
    Und die Kampfblätter des Lindner-Kapitalismus zu lesen, von der BILD bis hin zur NZZ stimmt mich zunehmend düster.
    Selbst im Bereich Natur- und Umweltschutz wird dem Maschmeyertum gehuldigt und geopfert, was jetzt nicht wirklich verwunderlich ist.
    Was bei vielen bleibt ist ein unbestimmtes Gefühl der Ohnmacht.
    Aber mitmachen tun wir trotzdem weiterhin kräftig scheint mir. Auch die Ohnmächtigen.
    So als hätte es Marx und seine Einsichten nie gegeben.

  8. naja

    Es gibt bezogen auf Inflation das Konzept einer inflationsneutralen Arbeitslosenquote. Dem zufolge sinkt die Arbeitslosenquote bei steigender Inflation, während eine langsame Inflation Arbeitslosigkeit steigen lässt. Das heisst, es gibt eine „gesunde“ Arbeitslosenquote (die wäre für BRD 2,8 %, die reale liegt bei 2,7%).
    Bezogen auf „Arbeitszeit“ und „den Leistungsgedanken“ hört man ja neben allem, was leben-und-geld bereits angesprochen hat, auch immer mal wieder, wie viele Jobs über kurz oder lang von KIen schneller, besser und günstiger erledigt werden können. Und werden. Es wäre in Zukunft glaube ich wirklich gut gewesen, sich mit der Frage auseinandergesetzt zu haben, in was für einer Welt wir hätten leben wollen. Und wie wir das (auch KI) hätten nutzen wollen, was wir erreicht haben.

  9. RGS

    Wenn man das Thesenpapier der FDP liest denkt man: Was soll das denn sein?

    Ein hilfloser Versuch vor der nächsten Wahl die eigene Wählerklientel zu mobilisieren.

    Die Wirtschaftskomperenz dieser Partei nähert sich der Nulllinie.

    1. Bürokratie abbauen!
    Die Steuergesetzgebung in der Verantwortung des Finanzministers! Wurde sie vereinfacht? Ich habe nichts davon gemerkt.

    2. Bürgergeld „reformieren“!!
    Populistisches Geplapper:
    Über wieviel Fälle von aktuell sanktionierten Bürgergeldempfängern reden wir in Deutschland?
    Kürzlich las ich die Zahl von 8.000 sanktionierten „Arbeitsverweigerern“ in der Zeit von Januar bis August 2023. Die Zahl hatte die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht.

    3. Moratorium für Sozialleistungen!
    Blanker Populismus:
    Deutschlands Konsumschwäche liegt im internationalen Vergleich daran, dass die Kaufkraft bei den unteren Einkommensgruppen zurückgeht. Wobei die Mindestlohnerhöhung da gerade etwas verbessert hat.

    10. Förderung der Energiewende beenden!
    … und stattdessen CCS etc. fördern.

    Mit dem Porsche nach Sylt fahren und dort Champagner mit Austern schlürfen. Das ist Wirtschaftsförderung!
    Warum beendet die FDP nicht die Koalition? Sie würde dem Land einen Gefallen tun?

    … Ich verliere die Lust dieses inhaltlich dünne, dümmliche Pamphlet weiter zu kommentieren.

  10. Titus von Unhold

    Wenn man sich ansieht in welchen Branchen denn Arbeitszeit ein Faktor ist, dann sind es die extrem produktiven Unternehmen der produzierenden und exportierenden Industrie und die kaum produktiven Unternehmen des wenig anspruchsvollen Sektors der einfachen Dienstleistungen. Die Lösung ist daher selbstverständlich nicht dass alle mehr arbeiten, sondern dass die Arbeitskräfte auf die richtigen Stellen mnit höherer Produktivität kommen. vor allem ist es volkswirtschaftlich gar nicht sinnvoll Niedriglohnbereiche durch Subventionen wie Wohngeld, Minijobs oder Pfandflaschen am Leben zu halten wenn man die Unternehmen dieser Branchen auch einfach vom Markt verschwinden lassen kann.

    1. Beobachter

      “ … Die Lösung ist daher selbstverständlich nicht dass alle mehr arbeiten, sondern dass die Arbeitskräfte auf die richtigen Stellen mnit höherer Produktivität kommen. vor allem ist es volkswirtschaftlich gar nicht sinnvoll Niedriglohnbereiche durch Subventionen wie Wohngeld, Minijobs oder Pfandflaschen am Leben zu halten wenn man die Unternehmen dieser Branchen auch einfach vom Markt verschwinden lassen kann.“

      Was ist mit all den wichtigen, anspruchsvollen Arbeitsbereichen, in denen nichts „produziert“ wird, in denen aber Arbeitszeit ein wichtiger Faktor ist?
      Z. B. Alten- und Krankenpflege, Kinderbetreuung, Care-Arbeit, Dienstleistungen aller Art, …
      Wenn man diese „Branchen“, in denen die Arbeit schlecht bezahlt und wenig wertgeschätzt wird, „einfach vom Markt verschwinden lassen“ würde – würde unser bestehendes System ruckzuck zusammenbrechen.

      (Höhere) Produktivität kann nicht das Maß aller Dinge sein.

      1. Titus von Unhold

        Kategorienfehler deinerseits, denn die examinierte Pflegefachkraft gehört mit zu den Besserverdienern.

        1. Beobachter

          Examinierte Pflegekräfte werden erst seit Kurzem anständig bezahlt.

          Aber was nützt ihnen das „viele Geld“, wenn ihre Arbeit so stressig und belastend geworden ist, dass kaum noch jemand das in Vollzeit machen kann und der Krankenstand deshalb hier besonders hoch ist?!
          Sie regelrecht verheizt werden?!

          1. Titus von Unhold

            Seit kurzem stimmt nicht, examinierte Pflegekräfte waren schon immer gut dabei. Mehr geht halt immer und aktuell sind in der Zeitarbeit über 7.000 Euro möglich:

            https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/zeitarbeit-pflege-westpol-100.html

            Das ist aber auch egal, denn mein Ursprungsargument bezog diese Gruppe nicht ein.

        2. leben-und-geld

          Bei Ihnen fangen die Besserverdiener:innen aber früh an: 18.912 € – 25.610 € netto im Jahr lt. Stepstone: https://www.stepstone.de/gehalt/Pflegefachkraft.html. Was verdienen Sie?

          1. Titus von Unhold

            Der Eckrentner liegt bei 45k Brutto p. A., das schaffen Examinierte bereits im Tagdienst. Ich selbst bin Ingenieur und gehöre – je nach Rechner – zu den top 7…4 %.

  11. LasurCyan

    Nur auf die absolute Zahl der Arbeitsstunden pro Kopf zu schauen und von da auf die volkswirtschaftliche Leistungsstärke zu schließen, ist eine ökonomische Milchmädchenrechnung.

    Das ist auf verschiedene Weise eigentlich sonnenklar. Was mir lange nicht bewusst war, ist die offensichtlich enorme Verbreitung von BullshitJobs, siehe >

    https://www.klett-cotta.de/produkt/david-graeber-bullshit-jobs-9783608982459-t-49

    Besonders beeindruckend fand ich die Fallbeispiele, also Berichte von Arbeitnehmenden. Gut bezahlt die Zeit mit blödsinnigen Tätigkeiten ausfüllen zu müssen, scheint einen erheblichen Leidensdruck aufzubauen. Hatte ich als Freiberufler so nicht auf dem Schirm.

    1. leben-und-geld

      … Bullshit-Jobs, massenhaft Vernichtung von neuwertigen Produkten z.B. im Versandhandel, Wegwerfartikel in der Textilwirtschaft, angeblich Verschwendung von einem Drittel aller hergestellten Lebensmittel usw. usw. – „Leistung“ im wahrsten Sinn des Wortes für die Tonne.

    1. leben-und-geld

      @ Robert aus Wien:

      Angesichts solcher Debatten darf man dann fragen, wie sich wohl die relative Wettbewerbsposition eines Landes durch mehr Arbeitsstunden verbessert, wenn in allen Ländern mehr gearbeitet werden soll.

  12. […] Jetzt klagen Politiker, die Arbeitsmoral sei schlecht, es müsse wieder mehr geleistet werden. Dazu nebenan ein Beitrag, Kommentare gerne auch […]

  13. Uli Schoppe

    Wie fließen eigentlich dieTeilzeitquoten / Erwerbstätigkeitsquoten von Frauen speziell aber eben im Ganzen der Länder oben in die Statistik ein? 🙂 Wenn ich die Zahlen einfach über alles bügele was arbeiten geht und zwar ganz speziell nur die, die erwerbstätig sind kommt vieleicht ein fauler Deutscher raus der gar keiner ist. Wenn ich ein Ehepaar betrachte bei denen nur ein Mensch arbeiten geht mit einer WAZ von 40h kommt wenn ich nur die Arbeitenden betrachte 40h / Woche raus. Geht der andere Mensch jetzt auch 20h die Woche arbeiten hat das faule Pack ja nur einen Schnitt von 30h / Woche ^^ (da ja jetzt 2 Erwerbstätige und vorher einer), obwohl bei gleich gebliebener „Bevölkerungszahl“ ja jetzt 60h Arbeit geleistet werden …

    1. leben-und-geld

      @ Uli Schoppe:

      Die Grafik im Blogbeitrag gibt Arbeitsstunden von Erwerbstätigen bezogen auf Köpfe wieder, d.h. da spielt das Teilzeitthema keine Rolle, und zwar zu Recht nicht. Es geht um das Arbeitszeitvolumen insgesamt, ob das überwiegend durch Vollzeitstellen oder 20-Stunden-Stellen erbracht werden, ist egal. Problematisch ist bei solchen Statistiken eher, dass z.B. manche Leistungen je nach Land in unterschiedlichem Anteil als Erwerbsarbeit oder als unbezahlte Arbeit erbracht werden, somit mal mehr, mal weniger ins Arbeitszeitvolumen der Erwerbstätigen eingehen.

      Was das Thema Teilzeit/Vollzeit angeht: Klick mal den Eurostat-Link vor der Grafik an, da wird das differenziert dargestellt.

  14. rolak 麻

    Wie?

    Genau so, wie Du vermutetest, Uli: über alles bügeln. Mathe ist halt ein A*Loch: nimmste ein <name it> in den Pool, das bei der interessanten Eigenschaft unterdurchschnittlich abschneidet, senkt sich der GesamtSchnitt des Pools.
    Aber ich kann Dich beruhigen: beim Pool ‚Menschen mit Arbeitsplatz‘ wirkt sich das nicht ganz so doll aus wie bei Deinem DemoEhepaar.

  15. leben-und-geld

    IW und IMK fordern 600 Mrd. Euro Investitionen

    Dass sich das Institut der deutschen Wirtschaft und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Böckler-Stiftung gemeinsam für eine Lockerung der Schuldenbremse oder alternativ ein Sondervermögen für Investitionen einsetzen, darf man als Beleg dafür sehen, dass inzwischen Ökonomen aller Richtungen die Schuldenbremse und ihre Parteigänger als ideologisches Standortrisiko ansehen.

    FDP und Union wären gut beraten, statt symbolischer Sozialabbau-Rhetorik die realen Probleme anzugehen. Mit Kürzungen beim Bürgergeld und der Rente mit 63 wird man die Probleme jedenfalls nicht lösen.

    1. uwe hauptschueler

      Regelmäßig wird über fehlende Arbeitskräfte gejault. Aber 600 Mrd. sollen zusätzlich ausgegeben werden. Das paßt zusammen. Wir schaffen das. Wenn die DDR nicht so bei den Schulden gebremst hätte, die könnte heute noch existieren.

  16. […] aktuellen Streit um das Bürgergeld und den Mindestlohn wird im Konzert der marktliberalen Klagen über eine mangelnde Arbeitsmoral auch wieder der bekannte Spruch „Arbeit muss sich wieder lohnen“ vorgebracht. Solche Sätze […]

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