Ludwig Erhard wird der Spruch „Wirtschaftspolitik ist zu 50 % Psychologie“ zugeschrieben. Die übrigen 70 % sind vermutlich Rechenfehler und auch der psychologische Teil ist mitunter schlechte Psychologie, oder Ideologie.
Im aktuellen Streit um das Bürgergeld und den Mindestlohn wird im Konzert der marktliberalen Klagen über eine mangelnde Arbeitsmoral auch wieder der bekannte Spruch „Arbeit muss sich wieder lohnen“ vorgebracht. Solche Sätze finden meist breite Zustimmung, sie scheinen einem grundlegenden Gerechtigkeitsgefühl entgegenzukommen. Man darf nur nicht weiter darüber nachdenken, wie bei den immer passenden Sprüchen eines Horoskops.
Der Satz „Arbeit muss sich wieder lohnen“ hat natürlich zustimmungsfähige Aspekte. Wer von seiner Arbeit leben muss, kann nicht gut damit einverstanden sein, wenn er davon eben nicht leben kann. Das spricht für einen Mindestlohn und darüber hinaus für auskömmliche Löhne.
Dahinter fängt aber gleich die schlechte Psychologie an, subliminal konnotiert. Da ist zum einen eine Theorie der Arbeitsmotivation, die andere als monetäre Element einfach ausblendet. Arbeitsmotivation entsteht aber nicht allein, wenn sich Arbeit lohnt, sondern wenn die Arbeitsbedingungen auch menschenwürdig sind, wenn sie zu Selbstentfaltung und Persönlichkeitsentwicklung beitragen, also im positiven Sinne herausfordernd und anregend sind. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Wie wichtig dieser Teil der Psychologie ist, kann man durch eine kleine Paraphrasierung des Satzes sehen: „Das Ehrenamt muss sich wieder lohnen“ – ein absurder Satz, wenn das „sich lohnen“ monetär gedacht wird.
Zum anderen wird versucht, mit dem Satz für klassische marktliberale Ziele zu werben: Sozialleistungen sollen nicht zu hoch sein, damit im Niedriglohnsektor, in dem viele Jobs jenseits des Geldes wirklich nicht allzu viel zu bieten haben, die Nachfrage nicht ausbleibt, und die Steuern der Mittelschicht sollen als ungerechtfertigter Zugriff des Staates auf das wohlverdiente Geld der Bürger in Szene gesetzt werden.
Betrachtet man die Reallohnentwicklung der letzten Jahre, könnte man den Satz „Arbeit muss sich wieder lohnen“ auch ganz anders verstehen. Während die Kapitaleinkommen auch in den Krisenjahren deutlich zugelegt haben, war das bei den Löhnen nicht so. 2023 ist den Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge zum ersten Mal seit 2019 wieder ein kleiner Reallohnzuwachs zu verzeichnen gewesen.
Arbeit muss sich also in der Tat wieder mehr lohnen. Dem wäre so, wenn die Lohnzuwächse wieder deutlicher über der Inflationsrate liegen würden. Dann können sich die Menschen auch wieder mehr leisten, z.B. hochwertigere Nahrungsmittel, die Kosten für einen Kitaplatz, eine größere Wohnung, in der die Kinder eigene Zimmer haben, sie könnten sich um eine private Altersvorsorge kümmern, oder um die Kosten für die Altenpflege, vielleicht könnten sie sogar für Wohneigentum sparen. Dafür würde es sich sicher lohnen, zu arbeiten, aber das können viele nicht. Die 50-30-20-Regel, nach der man 20 % seines Einkommens sparen soll, rechnet sich für die unteren Einkommensschichten nur allzu oft 50 minus 30 minus 20 gleich Null. Da hilft alle Psychologie nicht weiter.
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